Neigung des Glockenturms übertrifft italienischen Touristen-Magneten bei Weiten.

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Gau-Weinheim: Neues vom schiefsten Turm

Der schöne Glockenturm, der Teil einer mittelalterlichen Wehranlage war, neigt sich um 5,4277 Grad Foto: Erwin Gottschlich

Gau-Weinheim. Zumindest jene, die den schiefsten Turm der Welt sehen wollen, sollten sich in das 600-Einwohner-Dorf am Wißberg aufmachen und die Toskana links liegen lassen. Denn mit exakt gemessenen 5,4277 Grad übertrifft die Neigung des Glockenturms, der Teil einer mittelalterlichen Wehranlage war, jene des italienischen Touristen-Magneten von ,,nur" 3,97 Grad bei Weitem.

Auch der bisherige Rekordhalter im ostfriesischen Suurhusen mit 5,19 Grad Schieflage hatte bei der offiziellen Messung das Nachsehen. Das Rekordinstitut für Deutschland (RID) rückte im September zur offiziellen Messung an - und stellte fest, dass sich der Turm seit der Sanierung im Jahre 1991 sogar noch weiter geneigt hat. Damals wurden 5,38 Grad ermittelt - und ein noch stärkeres Abkippen unter Zuhilfenahme einer Menge Beton verhindert. Die 6.000 Euro, die die Eintragung gekostet hat, wurden über die Crowdfunding-Plattform des Energieanbieters EWR zusammengetrommelt.

Ortschronist Erwin Gottschlich hatte die Aktion initiiert. Die mediale Aufmerksamkeit war enorm. Und die Hoffnung wuchs, die kleine Gemeinde, die weder Restaurant noch Straußwirtschaft, ja nicht einmal einen Weinautomaten hatte, stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Das hatte Landrat Heiko Sippel ebenso angekündigt wie VG-Chef Markus Conrad oder Ortsbürgermeister Hans-Bernhard Krämer. Und das hat auch Gottschlich vor.

Die Turm-Münze. Foto: Erwin Gottschlich
Die Turm-Münze. Foto: Erwin Gottschlich

Seitdem ist einiges passiert. Goldschmiedin Sabine Armbrüster hatte schon zur offiziellen Übergabe des Zertifikats einen Turm-Anhänger kreiert. Im Nachgang hatten sich vier lokale Betriebe zur Turmwinzer-Gruppe formiert, die jüngst beim Turmfest einen gemeinsamen Stand betrieben haben. Einen Münzautomaten gibt es. „Wir haben eine Menge Souvenirs hergestellt, das Rekordbuch ist da, mit der Kunstbox haben wir ein tolles Kinderbuch gemacht, die Wein- und Kulturbotschafter haben ein Malbuch präsentiert", listet Gottschlich auf.

Mehr als 20 Schilder weisen einen Turmwanderweg aus und verknüpfen den Wißberg als beliebten Aussichtspunkt mit dem neuen, alten Gau-Weinheimer Wahrzeichen - mit QR-Codes für Infos und einer digitalen Streckenführung. Die Schilder, die den historischen Rundweg kennzeichnen, wurden ebenfalls mit QR-Codes versehen. Auch diese Einweihung fand jüngst beim Turmfest statt. ,,Für den Tag des offenen Denkmals sind wir ausgesucht worden als Denkmal mit einem besonderen Talent", erzählt Gottschlich, „am 10. September wird es dann auch wieder eine größere Aktion, Rundgänge und Führungen geben." Letztere werden generell angeboten, ob per Wanderung oder Schlepper-Tour, auf Anfrage für Gruppen ab zwölf Personen.

Weitere Ideen gibt es zuhauf, vom Schild an der Autobahn bis zum Tisch des Weines. Mit den touristischen Institutionen der Region ist Gottschlich ebenfalls im Gespräch, wobei sich die ein oder andere Gebietsgrenze als schwer überwindbar erwiesen hat. Mit der IG Wißberg werde zusammengearbeitet, auch auf rheinhessischer Ebene will der Ortschronist das Highlight seiner Gemeinde möglichst prominent platzieren. Schade findet Gottschlich, dass die Zuständigkeitsgrenze des Alzeyer Tourismusbüros zwischen Gau-Bickelheim und Gau-Weinheim endet: ,,Leute aus Gau-Bickelheim sind nach zehn Minuten Fußweg bei uns, aber wir können sie über die Internetseite des Alzeyer Tourismusbüros nicht ansprechen." Denn touristisch sind Alzey-Land und die Rheinhessische Schweiz einerseits sowie die Verbandsgemeinden Wörrstadt und Nieder-Olm andererseits verbandelt. Über die VG Wörrstadt lasse sich aber einiges bewegen, auch eine Eingliederung in die Kampagne Rheinland-Pfalz.Gold.

Suurhusen findet sich übrigens weiterhin in der Rubrik für nicht absichtlich schief gebaute Gebäude im Guinness-Buch der Rekorde. Gottschlich hatte sich vorgenommen, auch dort Gau-Weinheim zu platzieren - und bekam bei aufgerufenen Kosten von rund 17.000 Euro schlackernde Ohren. Doch bei der ersten Antragsstellung solle es nicht bleiben. Gau-Weinheim sei offenbar falsch eingestuft worden. „Suurhusen hat seinen Eintrag umsonst bekommen", erzählt Gottschlich, „ich habe den Verlag noch einmal kontaktiert, auf Englisch, und ebenfalls um einen kostenlosen Eintrag gebeten. Danach durfte ich immerhin die Unterlagen und Bilder einreichen. In den nächsten Wochen soll entschieden werden." Es gebe ohnehin schon enorm viel Interesse seit der offiziellen Rekord-Vermeldung. Aber die Chance auf noch mehr PR, sollte sie sich auftun, ,,nehmen wir natürlich gern mit".

Die skeptischen Stimmen, die das Vorhaben kleingeredet hatten, seien inzwischen verstummt. Das jüngste Turmfest war laut Gottschlich ein voller Erfolg. Anfragen von Reisegruppen gebe es auch. „Dabei haben wir gar keine Hotels, und zu essen gibt es bei uns auch nichts." Also werde in die Nachbarschaft verwiesen. Ein weiteres Hindernis: ,,Wir haben zwei Turmweine, aber leider keinen Weinautomaten und auch keine Verkaufsstätte für unsere Souvenirs. Aber mich haben schon Leute angesprochen, die vielleicht aktiv werden wollen. Das ganze Dorf ist richtig in Bewegung gekommen. Der Rekord ist nicht nur für Gau-Weinheim, sondern für ganz Rheinhessen." (tor)

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