Unterschiedliche Interessenslagen
Die Reform setzte sich bis auf die gemeindliche Ebene durch. Neue Verbandsgemeinden wurden gebildet und so schlug im Jahr 1972 auch die Geburtsstunde der Verbandsgemeinde Wöllstein. Wobei jedoch lange umstritten war, wer zu dieser neuen Kommune gehören sollte. Viele Gespräche mit Vertretern der umliegenden Gemeinden blieben wegen der unterschiedlichen Interessenslagen ohne einvernehmliches Ergebnis. Daher beschloss der rheinland-pfälzische Landtag per Landesgesetz vom 1. März 1972 die Bildung der Verbandsgemeinde Wöllstein aus den Gemeinden Eckelsheim, Gau-Bickelheim, Gumbsheim, Siefersheim, Stein-Bockenheim, Wendelsheim, Wöllstein und Wonsheim. Die Gemeinde Wöllstein wurde als Sitz der Verwaltung bestimmt. Dieses Gesetz trat am 22. April 1972 in Kraft. Tags drauf wurden die Bürger zur Wahl der Verbandsgemeindevertretung an die Urnen gerufen. Am 16. August 1972 wählte die Verbandsgemeindevertretung den im März 2018 im Alter von 89 Jahren verstorbenen Philipp Espenschied (Siefersheim, SPD) als einzigen Kandidaten mit großer Mehrheit zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister der VG Wöllstein.
Schwieriges Unterfangen
Die wichtigste Aufgabe des Bürgermeisters war es nun, eine effiziente und bürgernahe Verwaltung aufzubauen und das erforderliche Personal einzustellen. Das war schwierig, da es an vorhandenem Fachpersonal mangelte. Auch waren noch keine Verwaltungsräume vorhanden. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Justizministerium in Mainz wurde erreicht, dass der Verbandsgemeinde Wöllstein Büroräume im 1. Obergeschoss des Amtsgerichtsgebäudes zur Verfügung gestellt wurden.
Am 1. Oktober 1972 konnte der Verwaltungsbetrieb aufgenommen werden. Mit zwei Mitarbeitern aus dem Kreis Bad Kreuznach und mit dem übernommenen Personal aus den Ortsgemeinden wurden die ersten „Gehversuche“ unternommen, ehe zum 1. Januar 1973 per Rechtsverordnung die Wahrnehmung der Kassen- und Rechnungsgeschäfte der verbandsangehörigen Gemeinden, die Veranlagung und Erhebung gemeindlicher Abgaben, die Auftragsangelegenheiten einschließlich der Standesamtsaufgaben und „die übrigen Aufgaben“ der Verbandsgemeinde übertragen wurden. Mit dieser Verordnung sind 1975 auch die Zuständigkeit für die Schulträgerschaft der Grund- und Hauptschulen, den Brandschutz, die zentralen Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen, die überörtlichen Sozialeinrichtungen, die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung und die Unterhaltung der Gewässer III. Ordnung von den Ortsgemeinden auf die Verbandsgemeinde übergegangen. Dabei handelt es sich um eigene Selbstverwaltungsaufgaben, die die Verbandsgemeinde anstelle der Ortsgemeinden wahrzunehmen hat. Eine besonders wichtige und zukunftsorientierte Aufgabe war die Übertragung der Flächennutzungsplanung auf die Verbandsgemeinde.
Durch die Auflösung des Amtsgerichts Wöllstein im Jahr 1975 konnte die Verbandsgemeinde das Gebäude vom Land erwerben. Damit waren die anfänglichen räumlichen Schwierigkeiten behoben. Durch Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten wurde das repräsentative Gebäude zu einer Bereicherung im Ortsbild der Gemeinde Wöllstein. Der Verbandsgemeinderat, der zunächst in der Aula der Volksschule tagen musste, hatte zumindest für die nächsten 44 Jahre im Sitzungssaal des Verwaltungsgebäudes eine feste Bleibe.
Böse Überraschung
Denn eine böse Überraschung hielt das Jahr 2015 für VG-Bürgermeister Gerd Rocker, seine Mitarbeiter in der Verbandsgemeindeverwaltung und den Verbandsgemeinderat parat: In diesem Jahr war klar, dass das historische Verwaltungsgebäude in der Wöllsteiner Bahnhofstraße großflächig saniert werden muss. Zu gravierend war die Belastung mit Keimen, Schimmel und Ausdünstungen von Holzschutzmittel in den Räumen des historischen Verwaltungsgebäudes in Wöllstein. Durch den Einsatz von Filtergeräten bestand aber zu keiner Zeit Gefahr für die Mitarbeiter und Besucher der Verwaltung.
Es sollte aber bis ins Jahr 2019 dauern, bis der Umzug anstand. Was zu einer großen Ehre für Gau-Bickelheim wurde, denn der Verbandsgemeinderat beschloss einstimmig, dass das Dorf am Rande des Wißbergs bis auf Weiteres zum Verwaltungssitz der VG Wöllstein wird. Seit Mitte 2019 und bis auf Weiteres sind die Mitarbeiter der Verwaltung nun im neuen Wißbergforum im St. Floriansweg 8 in Gau-Bickelheim untergebracht. Im August 2022 erfolgte der erste Spatenstich für den Neubau der Verbandsgemeinde Wöllstein in der Ortsgemeinde Wöllstein. Ein Millionenprojekt, das jetzt so richtig Fahrt aufnimmt. Neben dem Neubau gehört auch noch die aufwendige Sanierung des denkmalgeschützten ehemaligen Amtsgerichtgebäudes, wo die Verwaltung dann wieder ihren Sitz haben wird und die nicht nur in neuem Glanz erstrahlen, sondern dabei auch modernen Ansprüchen gerecht werden wird – vor allem, was Energie und Klimaschutz angeht. Das Gesamtprojekt, inklusive der aufwendigen Sanierung des Altbaus, soll bei rund 6,9 Millionen Euro – inklusive aller Kosten, auch der Miete für den Übergangssitz in Gau-Bickelheim – liegen, wobei rund 60 Prozent der Summe durch Fördergelder abgedeckt sind. Das Projekt soll bis 2024 abgeschlossen sein.
Bürgernahe Verwaltung
Abschließend ist zu sagen, dass mit der Bildung der Verbandsgemeinde im Jahr 1972 die Vorstellungen von bürgernaher Verwaltung und gesteigerter Effizienz auf einen besonderen Prüfstein gestellt wurden, die Verbandsgemeinde sich aber mit Bravour dieser Herausforderung stellte, die ihr übertragenen Aufgaben zügig umsetzte und sich in einem hohen Tempo zu einem modernen Dienstleistungsbetrieb entwickelte.
Seit 2009 bestimmt Gerd Rocker (SPD) die Geschicke in der Verbandsgemeinde Wöllstein. Im Jahr 2017 wurde der Sozialdemokrat mit 57,71 Prozent der Wählerstimmen für weitere acht Jahre in seinem Amt bestätigt. red
VG WÖLLSTEIN
Einwohner: 12 011
Fläche: 61,43 km2
Bevölkerung je km2: 195,5 (Stand: 31. Dezember 2021)
Bürgermeister: Gerd Rocker (SPD)
Sprechstunde: Die Verwaltung ist derzeit für den Publikumsverkehr geschlossen, aber vormittags von 8 bis 12 Uhr telefonisch und per E-Mail erreichbar.
Telefon (06703) 30 20
info@vg-woellstein.org
www.woellstein.de