Bürgermeister Conrad blickt auf 50 Jahre erfolgreiche VG-Geschichte zurück

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„Über den Tellerrand hinausgeschaut“

Markus Conrad ist seit 2003 Bürgermeister der VG Wörrstadt. Foto: BilderKartell/Carsten Selak

Die Verbandsgemeinde Wörrstadt kann auf 50 erfolgreiche Jahre zurückblicken. Wir haben mit Bürgermeister Markus Conrad einen Blick zurück, aber auch in die Zukunft gerichtet.Herr Conrad, bei der Gründung der VG Wörrstadt 1972 waren viele Menschen skeptisch. Heute ist die VG eine gut funktionierende Gemeinschaft. Was hat sich in den 50 Jahren verändert?Die 13 Gemeinden und die Verbandsgemeinde sind an ihren Aufgaben gewachsen, sowohl was den Zusammenhalt angeht, als auch in der Größe. Lebten 1972 rund 18.000 Menschen in der VG, sind es heute über 30.000. Die Entwicklung der VG ist für mich in drei Phasen passiert. Die erste Phase beinhaltet den Aufbau und die Schaffung der Strukturen. Angefangen vom Personalaufbau, der Neuorganisation und Ausrüstung der Feuerwehren oder dem Bau der Kanalisation. Auch wurden die Schulen auf Vordermann gebracht. Dieses Paket war bis Ende der 1980er Jahre abgeschlossen.

In den 90er Jahren folgte vermutlich die Konsolidierung?

Richtig. Vor allem nach der Wiedervereinigung kamen viele Menschen ins RheinMain-Gebiet. Wir leben hier in einer wunderschönen Weinkulturlandschaft mit hervorragender Infrastruktur. Aufgrund der Lage ist die Bevölkerung in Rheinhessen generell in den letzten Jahrzehnten gewachsen. Der Speckgürtel des Rhein-Main-Gebietes wird immer größer. Bei uns entstanden viele neue Baugebiete. Neue Aufgaben kamen auf die Verwaltung zu und an vielen Stellen waren nun Spezialisten gefragt. Zum Beispiel wurden im Hoch- oder Tiefbau eigene Ingenieure eingestellt, die EDV wurde umfassend eingeführt oder die Lokale Agenda 21 ins Leben gerufen. Auch die Kulturarbeit wurde verstärkt.

Als Sie 2003 Bürgermeister wurden, gab es da neue Herausforderungen?

Ja, dann ging Phase drei erst richtig los. Neue Themen wie Wirtschaftsförderung, Tourismus, Umwelt, erneuerbare Energien oder Klimaschutz kamen hinzu. Die im Jahr 2000 installierte Lokale Agenda 21 hat einiges mit angestoßen. 2007 setzten wir uns zum Beispiel das Ziel, bis 2017 den kompletten Strombedarf der VG durch erneuerbare Energien zu decken. 2012 haben wir dieses Ziel bereits erreicht. Frühzeitig haben wir uns entschieden, die Strom- und Gasnetze zurückzukaufen oder ein eigenes Windrad zu erwerben. Wie sich heute zeigt: eine sehr gute Entscheidung, die auch das WIR-Gefühl der VG gestärkt hat. Im Prinzip wurde die Verbandsgemeinde zu einer Art Konzern weiterentwickelt.

Wie kam die VG auf die Idee der Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze und welche Hürden galt es zu überwinden?

Es ist wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen. Mir ist es wichtig, dass die Mannschaft aus haupt- und ehrenamtlichen Akteuren engagiert arbeitet und kreativ ist. Die Idee der Rekommunalisierung ist von außerhalb gekommen. Wie viele andere Dinge ist das Projekt fremdfinanziert. Die Gleichbehandlung der Gemeinden liegt mir genauso am Herzen wie die Beteiligung der Bürger. Denn nur so kann Vertrauen entstehen und das benötigen solche Projekte. Die Gründung unserer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) “Energie- und Servicebetrieb Wörrstadt (ESW)” oder der Tourismus GmbH sind nur möglich gewesen, weil alle zusammen arbeiten und Kompromisse eingehen.

Welche Aufgaben stehen in nächster Zeit an?

Beispielsweise die Neuausweisung klimaneutraler Baugebiete und die Energiewende. Wichtige Themen sind auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, z.B. durch Kita- und Schulerweiterungen oder die Ortskerngestaltung. Nur wenn unsere Gemeinden lebendig bleiben, können wir das “rheinhessische Lebensgefühl” erhalten. Die medizinische Versorgung und die Betreuung älterer Menschen sind zwei wichtige Punkte, die wir verstärkt angehen müssen. Wenn z.B. Hausärzte in Ruhestand gehen, gibt es kaum mehr Nachfolger.

Wie wollen Sie das Problem der ärztlichen Grundversorgung künftig lösen?

Heutzutage scheuen immer mehr Ärzte das wirtschaftliche Risiko einer Hausarztpraxis. Andere wollen nicht ständig in Rufbereitschaft sein. Eine Idee ist es deshalb, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, eine andere, ein kommunales medizinisches Versorgungszentrum zu errichten. Aktuell gibt es hierzu aber nur Ideen und noch keine Lösungen.

Aktuell sind die Menschen bundesweit frustriert und machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Wie sieht es in der VG aus?

Zwei Jahre Pandemie haben natürlich Spuren hinterlassen. Vor allem für die Vereine ist die Situation schwierig, nicht nur im Bereich Musik und Kultur. Alles muss wieder zum Leben erweckt werden, denn für den Zusammenhalt braucht es Vereine, gemeinsame Feste und eine lebendige Dorfgemeinschaft. Aktuell fahren wir unsere eigenen Veranstaltungen wieder hoch oder die Sporthallen und Räumlichkeiten stehen für die Vereine zur Verfügung, damit vieles wieder zur Normalität zurückfinden kann.

Was wünschen Sie der Verbandsgemeinde für die nächsten 50 Jahre?

Ich hoffe und wünsche, dass sich die Kommune auch weiterhin kreativ den Herausforderungen stellt und sich viele Menschen weiterhin gemeinschaftlich engagieren. Dann werden die Menschen auch in 50 Jahren noch gerne in der Region leben.

Das Interview führte Conny Haas

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