Bereits in der Spätlatènezeit ab 150 vor Christus scheint es im Bereich des heutigen Alzey eine relativ große keltische Siedlung gegeben zu haben

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Alzey: Schon immer "heimliche Hauptstadt"

Im Straßenbild erinnern vor allem die Reste des Kastells an die Römerzeit. Archivfoto: pp/Carsten Selak

Das milde Klima im rheinhessischen Hügelland sowie der fruchtbare Lößboden rund um den Mehlberg machten die Region schon vor über 2000 Jahren zu einem gefragten Siedlungsgebiet. Bereits in der Spätlatènezeit ab 150 vor Christus scheint es im Bereich des heutigen Alzey eine relativ große keltische Siedlung gegeben zu haben, die wohl den Namen Altiaia trug. Um die Zeitenwende rückten römische Truppen unter Kaiser Augustus bis an den Rhein vor und griffen vielerorts auf die vorhandene Infrastruktur der Kelten zurück.

So kam es vermutlich in Altiaia zu einem nahtlosen Übergang von einer keltischen hin zu einer römischen Zivilsiedlung. Die örtliche Bevölkerung wurde jedoch nicht von den Römern im Kampf verdrängt. Vielmehr sorgten die kulturellen und architektonischen Veränderungen in Altiaia durch die antike Militärmacht nach und nach für eine Romanisierung der hier lebenden Kelten. Aus Altiaia wurde der vicus Altiaiensium. 

Wohlhabende Götterbilder. Römer stifteten Foto: Rudolf Uhrig
Wohlhabende Götterbilder. Römer stifteten Foto: Rudolf Uhrig

Zunächst wurde Obergermanien militärisch verwaltet. Gegen Ende des ersten Jahrhunderts wurde die Region unter zivile Verwaltung gestellt und mit der Hauptstadt Mainz zur römischen Provinz Germania Superior. Zusammen mit den vici von Eisenberg und Worms gehörte Alzey zur Civitas Vangionum. Durch die Lage an der Fernstraße von Metz nach Mainz, sowie der direkten Verbindung zum Civitas-Hauptort Worms entwickelte sich der vicus am Selzübergang zu einem wohlhabenden, mittelstädtischen Zentrum.

Vermutlich kamen Gutsbesitzer aus den umliegenden villae rusticae nach Alzey, um ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf einem großen Marktplatz (Forum) zu verkaufen. Im Gegenzug konnten diese aber auch bei den ortsansässigen Handwerkern Dienstleistungen in Anspruch nehmen oder landwirtschaftliche Geräte erwerben.

Bebauung

Wie überall in den Nordwestprovinzen prägten sogenannte Streifenhäuser im antiken Alzey das Siedlungsbild. Der Namen dieses Bautypus bezieht sich auf die Grundfläche der Gebäude. Denn die antiken Reihenhäuser waren mit einer schmalen Seite zur Straße hin ausgerichtet. Die längere Seite führte von der Straße weg und hinter den Gebäuden befanden sich oft noch angelegte Höfe oder Gärten. In der Dr.-Georg-Durst-Straße wurde1938 bei Grabungen die Fundamente eines Streifenhauses freigelegt, das bei sieben Meter Breite eine Länge von 16,80 Meter aufwies.

Durch diesen Grundriss war es möglich, dass eine möglichst große Anzahl an Häusern einen direkten Zugang zur Durchgangsstraße besaß. Und dieser war notwendig, da viele Handwerker ihr Wohngebäude auch zum Teil als Ladengeschäft nutzten. So war typischerweise im vorderen Drittel eines Streifenhauses eine Verkaufsfläche eingerichtet. Daran schloss sich im hinteren Teil des Hauses der Wohn- und Produktionsbereich an. Neben einem Keller verfügten manche Streifenhäuser sogar über ein Obergeschoss. Die Fenster waren verglast, die Türen abschließbar und eine Fußbodenheizung (Hypokaustum) sorgte auch im kalten obergermanischen Winter für angenehme Temperaturen im Haus.

Öffentliche Gebäude

Neben den privaten Streifenhäusern gab es in Altiaium auch öffentliche Gebäude. So ist aufgrund der Lage an der Fernstraße Metz-Mainz von staatlichen Gasthäusern für Reisen-de (mansiones) auszugehen. In einer Thermenanlage über der heißen Schwefelquelle konnten die Bewohner des antiken Alzey die keltischen Heilgötter Apollo Grannus und Sirona verehren und sich der Körperpflege widmen. In der zweiten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts wird ein Kultbezirk mit Heiligtümern für die römischen Gottheiten Hercules, Mercur, Vulcan und Venus rund um die Schwefelquellen entstanden sein. Zahlreiche Altäre und Reliefs, die im Bereich des späteren Römerkastells gefunden wurden, zeugen davon. Eine dieser Spolien ist der im Jahr 223 errichtete Nymphenstein. Dieser Altar, den die Bürger Altiaias (vicani Altiaienses) zu Ehren der göttlichen Nymphen gestiftet haben, ist das bislang älteste Zeugnis für den Namen der Siedlung. Germaneneinfällen ins linksrheinische Gebiet sorgten in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts für das Ende der Blütezeit. Die völlige Zerstörung durch die Alamannen im Jahr 353 nach Christus bedeutete den endgültigen Untergang der römischen Zivilsiedlung. Aus den Überresten der zerstörten Bebauung wurde um das Jahr 370 dann das Römerkastell errichtet. Daniel Fröb

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